UN-Sonderbericht zu PAS

Die UN-Sonderberichterstatterin Reem Alsalem hat im April 2023 ihren Bericht zu Gewalt gegen Frauen und Kindern im Zusammenhang mit familiengerichtlichen Verfahren mit Fokus auf den Missbrauch des Begriffs “Eltern-Kind-Entfremdung” und ähnlichen Pseudo-Konzepten herausgebracht.

Der Bericht kann abgerufen werden unter:

https://undocs.org/Home/MobileFinalSymbol=A%2FHRC%2F53%2F36&Language=E&DeviceType=Desktop&LangRequested=False

Die folgenden Zitate aus dem Bericht sind frei übersetzt, da noch keine offizielle deutsche Übersetzung vorliegt:

10. Das Pseudo-Konzept der “Eltern-Kind-Entfremdung” wurde geprägt von dem Psychiater Richard Gardner, der behauptet hat, dass Kinder, die während hochkonflikthafter Scheidungen von sexuellem Missbrauch berichten, unter dem “Entfremdungs-Syndrom” leiden; verursacht von Müttern, die ihre Kinder dahingehend manipuliert haben zu glauben, dass sie von ihren Vätern missbraucht wurden und entsprechende Vorwürfe erheben sollen.

Er schlug drakonische Maßnahmen vor, um dieses Syndrom anzugehen, inklusive eines völligen Kontaktabbruchs zur Mutter, um das Kind zu “deprogrammieren”. Es wurde argumentiert, je mehr ein Kind die Beziehung mit seinem Vater verwehrt, umso mehr sei das der Beweis dafür, dass das Entfremdungs-Syndrom vorliegt.

11. Gardner´s Theorie wird für den Mangel an empirischer Evidenz kritisiert, für die problematischen Annahmen über Kindesmissbrauch generell und dafür, Missbrauchs-Vorwürfe umzudeuten als Taktik für Entfremdung. In manchen Fällen sorgte dies dafür, dass Gutachter und Gerichte ihrer Amtsermittlungspflicht nicht nachkamen, ob Missbrauch tatsächlich vorlag.

Die Theorie wird von sämtlichen medizinischen, psychiatrischen und psychologischen Organisationen abgelehnt und wurde 2020 von der “ICD” Liste der anerkannten Störungen durch die Weltgesundheitsorganisation gestrichen.

Trotzdem gewann sie beträchtlich an Zuspruch und wird bis heute breitflächig und weltweit innerhalb des familiengerichtlichen Systems genutzt, um Vorwürfe der häuslichen Gewalt und des Missbrauch zu negieren.

12. Durch die häufige häusliche Gewalt in intimen Paarbeziehungen kann die Trennung vom Täter für das Opfer eine hoch gefährliche Phase darstellen. Es besteht die Tendenz der Familiengerichte, Vorwürfe der häuslichen Gewalt nicht zu prüfen und führt zu gefährlichen Annahmen wie der, dass Gewalt nur minimalen Schaden an Mutter und Kind auslöst und mit der Trennung vorbei sei.

Die Konsequenzen der häuslichen Gewalt und ihrer Effekte auf Kinder werden unterschätzt von Richtern, die dazu tendieren, Umgangskontakte mit Vätern zu priorisieren.

Dadurch versagen Gerichte in ihrer Pflicht, Kinder vor Gefahr zu schützen, sie geben Kinder in unbegleitete Umgänge mit gewalttätigen Vätern sogar in Fällen, in denen gerichtlich bestätigt wurde, dass körperliche und/oder sexualisierte Gewalt stattgefunden hat.

14. Der Gebrauch der “Eltern-Kind-Entfremdung” ist geschlechtsspezifisch und wird häufig gegen Mütter verwendet.

15. Gemein mit dem geschlechtsspezifischen Gebrauch ist die Darstellung von Müttern als rachsüchtig und wahnhaft durch ihre Partner, das Gericht und Sachverständige. Mütter, die sich darum bemühen, Umgangskontakte einzuschränken, werden großflächig von Sachverständigen als böswillige Querulanten abgestempelt, was das allgegenwärtige Muster widerspiegelt, die Mutter zu beschuldigen.

50. Manche familiengerichtliche Systeme legen eine zusätzliche Pflicht auf die Hauptbezugspersonen, Umgangskontakte zu ermöglichen. Deutschland hat gesetzlich die Annahme eingearbeitet, dass Kontakt zu beiden Eltern grundsätzlich im besten Interesse des Kindes sei und hat eine Klausel hinzugefügt, dass jedes Elternteil alles zu unterlassen hat, was die Beziehung zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil beeinflussen könnte und dass eine positive Haltung ggü. dem Umgangskontakt gezeigt werden muss. Diese Annahme arbeitet gegen Opfer häuslicher Gewalt, da jedes Anzeichen für “Bindungsintoleranz”, das auf häusliche Gewalt zurückzuführen ist, die Sorgerechtsentscheidung beeinflussen kann.

Fazit:

Dieser Bericht zeigt auf, wie das unwissenschaftliche und in Verruf geratene Pseudo-Konzept der Eltern-Kind-Entfremdung in familiengerichtlichen Verfahren von Gewalttätern angewendet wird, um Gewalt und Kontrolle weiter fortzuführen und die Vorwürfe häuslicher Gewalt durch Mütter zu diskreditieren, die versuchen, ihre Kinder zu beschützen. Er zeigt auch, wie der Standard des Kindeswohls verletzt wird, indem Kontakte zwischen einem oder beiden Elternteilen und dem Kind oberste Priorität hat, selbst wenn es Beweise häuslicher Gewalt gibt.

Auf Grund eines Qualifikations-Mangels und geschlechtsspezifischer Vorurteile, sowie einem schlechten Zugang zu qualifizierter anwaltlicher Vertretung, bekommen manche Gewalttäter das Sorgerecht trotz nachgewiesener häuslicher Gewalt und/oder sexuellen Missbrauchs. Das Risiko solcher Konsequenzen ist ungleich höher für Frauen aus marginalisierten Gruppen ihrer Gesellschaft. Richter und Sachverständige müssen davon abkommen, Verhaltensweisen zu analysieren, die innerhalb der Psychologie angefochten werden und müssen den Fokus auf die spezifischen Fakten und Kontexte jedes Einzelfalls legen.